Tiergärtnerische Raritäten im Schulzoo Leipzig: Kurzohr-Rüsselspringer
(Macroscelides proboscideus, A.Schmith, 1829)


Dieser Vortrag ist einem kleinen Säugetier aus dem südlichen Afrika, die Rede ist von dem Kurzohr Rüsselspringer, (Macroscelides proboscideus, A. Schmith, 1829) vorbehalten. Bevor wir die kleine Säugetierart etwas näher betrachten, folgt ein kleiner Abstecher in die zoologische Systematik um die Verwandtschaft und die Familienverhältnisse der Rüsselspringer näher kennenzulernen.

In der Systematik der Säugetiere wurden die Rüsselspringer noch bis vor wenigen Jahren zur Ordnung der Insektivoren gezählt, heute jedoch werden sie von einigen Wissenschaftlern von den Insektenfressern getrennt und in eine eigene Ordnung, nämlich die der Rüsselspringer, eingegliedert. Des weiteren stellen viele anerkannte Wissenschaftler die Rüsselspringer aufgrund verschiedener stammesgeschichtlich Gründe systematisch nicht wie vielleicht vermutet in die „Nähe“ der Insektenfresser, sondern ganz entgegengesetzt zu der großen Ordnung der Hasentiere. Die Ordnung der Elefantenspitzmäuse, die ausschließlich auf dem afrikanischen Kontinent beheimatet ist, wird heute in vier Gattungen mit 14 Arten unterteilt (CORBET und HANKS, 1968). Die größten Vertreter der Ordnung sind die kaninchngroßen Rüsselhündchen, welche mit drei Arten ganz Ostafrika und Zansibar besiedeln. Von den drei Arten werden von der Welt-Naturschutz-Union (IUCN) durch die Ausweitung des Menschen, deren Folge die Lebensraumzerstörung ist, bereits zwei Arten als Bedroht in ihrem Bestand eingestuft. Ergänzend zu dieser Bedrohung kommt hinzu, daß Rüsselhündchen in den Ursprungsländern als Wildbrett geschätzt werden. Nach der mit zwei Arten recht kleinen Gattung der Rüsselratten, mit einer Kopf-Rumpflänge von 20 cm, folgt die artenreiche Gattung der Langohr-Rüsselspringer. Die zehn Arten verteilen sich über die Trockengebiete des gesamten Kontinents von Nordafrika bis nach Südafrika zum Kap der guten Hoffnung, ausgenommen sind die feuchten Regenwälder West-und Ostafrikas.



In Tiergärten werden Vertreter dieser Gattung aufgrund der ungelösten Ernährungsfrage und Stressanfälligkeit selten bis gar nicht gehalten. Der Tierpark Berlin hielt in den achtziger Jahren die nordafrikanische Art Elephantulus rozeti, der Zoologische Garten Wuppertal weißt für 1983 ebenfalls ein Männchen dieser Art in seinem Bestand aus.Unser Interesse gilt heute der Gattung der Kurzohr-Rüsselspringer, welche lediglich eine Art beinhaltet. Es handelt sich um den in Tiergärten häufiger gehaltenen Kurzohr-Rüsselspringer, der in Namibia, Südafrika und südlichen Botswana in Trockensteppen, Geröll- und Sandwüsten verbreitet ist.

In der Namibwüste Südwestafrikas beobachtetem SAUER und SAUER die Lebensweise der bis dahin weitgehendst unerforschten Säuger. Die in diesem Gebiet vorkommende sehr hell gefärbte Unterart Macroscelides proboscideus melanotis bildet in dem spärlich mit Gras- und Buschwerk bestandenem Habitat einen abgegrenzten Wohnbezirk von etwa 1km2 Fläche. In diesen Revieren befinden sich die Jagdgebiete sowie die Unterschlüpfe, welche meist unter Geröllbrocken und Felsvorsprüngen liegen. Die Jagdgebiete und Wohnunterschlüpfe sind durch festgetretene Wechsel verbunden. Die kleinen, sehr geschwinden Rüsselspringer nutzen über Jahre hinweg, bisweilen über mehrere Generationen immer die gleichen Wege in ihrem Revier. Die kargen Verbreitungsgebiete, in denen Insekten und Pflanzen nur spärlich vorhanden sind, zwingen die Kurzohr-Rüsselspringer zu einer solitären Lebensweise, so das sie nur in der Paarungszeit kurzzeitig Paare bilden. Durch die einzelgängerische Lebensweise verhindern die Rüsselspringer energieraubende Konkurrenzkämpfe um Futter und Lebensraum. Kurzohr Rüsselspringer jagen meist in der Nacht nach Heuschrecken, Armeisen, Termiten und anderen Insekten, ihre Nahrung besteht außerdem aus Wurzeln und Beeren. Eine weitere Spezialisierung und Anpassung an den Wüstenlebensraum finden wir im Fortpflanzungsverhalten, die meist zwei Jungen werden als sehr ortsgebundene Nestflüchter geboren, das heißt sie können bereits wenigen Stunden nach der Geburt laufen und sehen, auch sind sie schon behaart, bleiben aber in ihrem Unterschlupf. Die Jungen werden in einem eigenen, räumlich von der Mutter entfernten Unterschlupf geboren und nur zum Säugen von der Mutter hier aufgesucht, so das Beutegreifer wie Schabrackenschakale, Schildrabe oder Sandschlangen, nicht durch die Mutter auf die Jungen aufmerksam gemacht werden. Nach ungefähr 30 Tagen (19-36) werden die Jungen selbständig. Häufig wurde beobachtet das die Jungen einige Zeit nach dem selbständig werden in einer Geschwistergemeinschaft zusammen lebten.



Bei der Haltung und Zucht von Kurzohr-Rüsselspringern in Tiergärten bereiteten die Futteransprüche, hohe Stressanfälligkeit sowie die Empfindlichkeit der Tiere in den Anfangsjahren große Probleme.Nach dem Erstellen von geeigneten Haltungsmethoden glückten erfolgreiche Nachzuchten immer häufiger, ein besonders erfolgreicher Tiergarten in der Haltung dieser Kleinsäuger ist der Zoologische Garten Wuppertal, so das erst in neuer Zeit diese Tiere immer besser auch in anderen Tiergärten, so im Zoo und Tierpark Berlin, Wilhelma Stuttgart, Münchner Tierpark Hellabrunn, Zoo Dresden, Zoopark Erfurt, Zoo Halle, Tierpark Schönnbrunn-Wien und im Zoo Moskau gehalten und auch vermehrt werden.

Der Zoo Moskau importierte 1991 einige Kurzohr Rüsselspringer aus Südafrika und erforscht seitdem verschiedene Aspekte des Verhaltens von Rüsselspringern. Sei Beginn der Haltung 1991 wurden in Moskau bereits 96 Junge bis zu Selbständigkeit aufgezogen, die Kolonie besteht heute aus der vierten bis sechsten Generation (ILCHENKO und VAKHRUSHEVA, 2000). Im April dieses Jahres waren zwei Wissenschaftlerinnen der Forschungsstelle des Moskauer Zoologischen Garten zur Jubiläumstagung der Bundesarbeitsgruppe Kleinsäuger im Tierpark Berlin zu Gast und referierten unter anderem über das Fortpflanzungsverhalten des Kurzohr Rüsselspringers. Diese wichtigen Beobachtungen von biologischen Verhaltensweisen stellen den Grundstein für eine solide und artentsprechende Haltung von Wildsäugern in Tiergärten, was die Moskauer Nachzuchtsquote bestätigt. Die zwei Wissenschaftler waren auch im Zoo Leipzig und im Schulzoo Leipzig zu Besuch, um die Kleinsäugerkollektionen näher kennen zu lernen. Dem Schulzoo wurde zur aller Überraschung ein junges Paar Kurzohr Rüsselspringer geschenkt. Diese Tiere sind besonders wertvoll, da die Herkunft der Gründertiere aus Südafrika bekannt ist und sie nicht mit den anderen in Deutschland vorhandenen Tieren verwandt sind.



Kurzohr-Rüsselspringer, Macroscelides proboscideus, im Schulzoo Leipzig, Ch. Kern Kurzohr-Rüsselspringer, Macroscelides proboscideus, im Schulzoo Leipzig, Ch. Kern



Die Haltung von Kurzohr-Rüsselspringern im Schulzoo Leipzig begann 1997 mit einem jungen Weibchen, geboren im Thüringer Zoopark Erfurt. Diese Tier wurde 1998 mit einem Männchen aus dem Tierpark Berlin verpaart und gebar am 14.07.1998 ein Zwillingspaar, welches abgegeben wurde. Heute ist es im Zoo Leipzig eingestellt und wirft seit Juli 1999 regelmäßig. Die Geschlechtsreife trat bei diesem Paar mit einem Jahr ein. Nach dem Tod des Berliner Männchen folgte 1999 ein weiteres Männchen aus Privathand, das vom Weibchen allerdings getötet wurde. Am 04.02.2000 kam ein einjähriges Männchen aus dem Münchner Tierpark Hellabrunn, das nicht eingewöhnt werden konnte. Am 02.04. 2000 erfolgt ein Zugang ganz besonderen Ranges: Der Zoo Moskau schenkte uns ein Paar junge Rüsselspringer. Diese Tiere waren uns hochwillkommen, da die erfolgreiche Zucht des Moskauer Zoos auf Gründertiere zurückgeht, die 1991 in Südafrika gefangen wurden und somit nicht mit den anderen in Europa lebenden Tieren verwandt sind. Leider starb das Weibchen durch einen Unfall. Den 5,3 Zugängen ( 4,2 Geschenk, 1,1 Geburt) stehen 4,2 Abgängen ( 3,1 Tod, 1,1 Verkauf) gegenüber. Mann kann also durch die negative Bilanz noch nicht von einer Erhaltungszucht sprechen. Ein Zeichen dafür, das Rüsselspringer nach wie vor empfindliche Wildtiere sind, deren Zucht und erfolgreiche Aufzucht immer noch selten ist. Ein Umstand ist das stark entwickelte Revierverhalten der Tiere, das ein Zusammengewöhnen adulter Tiere sehr schwer gestaltet.







Schrifttum:



- Sauer, Prof. Dr. F. und Sauer, Dr. M., 1972: Zur Biologie der Kurzohrigen Elefantenspitzmaus, Macroscelides proboscideus, Zeitschrift des Kölner Zoos, 119-139

- Vakhrusheva, Galina, 2000: Reproductive behaviour of the Short-eared Elephant Shrew, Mitt.heft der Bundsarbeitsgruppe Kleinsäuger, 2, 5

- Nowak, R.M., 1999: Walker´s Mammals of the World. Sixth Edition. The John Hopkins University Press Baltimore and London





Autor: Christian Kern, Schulzoo Leipzig


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