Die künstliche Aufzucht eines verwaisten Peru-Hausmeerschweinchen

(Cavia aperea porcellus, Pallas 1766)


Die Haltung und auch Zucht von Kleinsäugern ist seit langem ein weit verbreitetes Hobby. Zumeist erfolgt die Fortpflanzung und Aufzucht ohne Probleme und Einwirken des Menschen. Doch es kann auch zu Schwierigkeiten kommen, die das Überleben der Jungtiere gefährden, so dass sie auf die unmittelbare Hilfe des Menschen angewiesen sind. Zum Beispiel kann es passieren, dass das Muttertier die Jungen nicht annimmt, zu wenig Milch gibt oder bei der Geburt stirbt.

In solchen Fällen ist die Aufzucht der Jungen durch eine Amme die erfolgversprechendste Möglichkeit der Fremdaufzucht. Leider steht in den seltensten Situationen ein Muttertier mit etwa gleichaltrigen Jungen zur Verfügung, welches die fremden Jungen auch annehmen würde. Unter diesen Umständen kann nur eine Zufütterung versucht oder eine Handaufzucht gestartet werden.

Erfolgreich gelungen ist mir die Aufzucht eines verwaisten, 3 Tage alten, unterernährten und teilweise von Kannibalismus gezeichneten 0,1 Peru-Hausmeerschweinchen, das im Schulzoo Leipzig geboren wurde.

Diese im Schulzoo gehaltene Hauscaviidenform ist keine moderne Zuchtrasse der Hausmeerschweinchen, vielmehr ist es eine ganz ursprüngliche domestizierte Haustierform der Wildmeerschweinchen (Cavia aperea). Die Gründertiere unserer Gruppe wurden 1996 durch einen Tierhändler direkt aus Peru nach Europa eingeführt. Als erste Information erhielten wir die Aussage von einem befreundeten Privathalter, das die Tiere sehr scheu seien, glatthaarig und das alle von rot-weißer Färbung und schwerem Gewicht sind. Die Peru-Hausmeerschweine können leicht die doppelte Größe „normaler“ Hausmeerschweinchen erreichen.

Hausmeerschweinchen werden noch heute in den ländlichen Gegenden Perus im und am Haus als fleischliche Ergänzung des Speiseplans gehalten, ganz ähnlich wie in Europa das Hauskaninchen.

Seit April 1998 werden im Schulzoo Leipzig „Peruaner“ gehalten. Ausgehend von 3,2 Tieren, die uns geschenkeweise von Herrn Peter Gärtner überlassen wurden, kamen in den bisher vergangenen zweieinhalb Haltungsjahren 23 Junge zur Welt. Die Wurfgröße reichte von 1-3 Jungen, Vierlingsgeburten wurden nicht registriert. Trotz der erfolgreichen Nachzucht von 23 Jungen ist der Aufbau einer stabilen Zuchtgruppe durch eine Vielzahl von Todesfällen bisher nicht zufriedenstellend verlaufen.

Erwähnenswert ist auch das Auftreten einer gelben Scheckungvariante. Nach der Übernahme eines adulten gelben Männchen aus der Stammgruppe wurden nach der Verpaarung mit einem roten Weibchen Jungtiere beider Farbphasen geboren.

Im Juni des Jahres brachte ein im Schulzoo gezüchtetes Weibchen einen Wurf mit 0,3 Jungen. Durch die vielen Versteckmöglichkeiten im Gehege und die immer währende Vorsicht der Tiere, war eine genaue Beobachtung der Aufzucht nicht möglich, so dass erst 3 Tage nach der Geburt am 07.06.2000 der Tod des Muttertieres bemerkt wurde. Zwei der Jungen waren schon zu schwach, um die folgende Nacht zu überstehen. „Joanna“, wie ich das Dritte nannte, flößte ich mit einer Spritze (ohne Kanüle!) etwas Apfelmus mit Schwarzem Tee und Traubenzucker ein, um den Kreislauf wieder zu mobilisieren. Die Nacht verbrachte sie bei meinem Pärchen „normaler“ Hausmeerschweinchen - ich war der Meinung der Kontakt würde ihr gut tun. Um eine Auskühlung zu verhindern, wärmte ich eine Käfigecke mit Hilfe einer Infrarotlampe. Am nächsten morgen stellte ich jedoch fest, dass das Pärchen sich des Jungtieres nicht annahm und die Wärmezufuhr nicht ausreichend war. Letztendlich brachte ich „Joanna“ im Unterteil einer Makrolon-Box unter, die anfangs mit Küchenpapier ausgelegt war und ein „Nest“, gebaut aus einem meiner Pullover, enthielt. Später dienten dann lediglich Hobelspäne als Einstreu.

Rotlicht, Eigenbewegung und Körperkontakt waren bei einer Zimmertemperatur von etwa 20°C die einzigen Wärmequellen. Durch das Beobachten von „Joannas“ Reaktionen fiel es mir nach einiger Zeit auch relativ leicht einzuschätzen, ob die Umfeldtemperatur angenehm, zu hoch oder zu niedrig war. Während sie sich bei Kälte mit gesträubtem Fell und krummen Rücken in eine Ecke hockte, legte sie sich bei zu großer Wärme auf den Bauch oder die Seite und spreizte die Gliedmaßen vom Körper ab. In beiden Fällen verweigerte sie außerdem die Nahrungsaufnahme oder fraß lediglich geringe Mengen.

Da ich „Joanna“ an einem Samstag Abend aufgenommen habe, war es mir vorerst nicht möglich, sie mit Milch zu füttern. Stattdessen kochte ich Haferflocken in Wasser aus, bis ein dickflüssiger Brei entstand, den ich durch ein Sieb presste, so dass ich feinen Haferschleim erhielt. Diesen mischte ich mit etwas Schwarzem Tee für den Kreislauf, Traubenzucker für die schnelle Energiegewinnung und Vitamintropfen. Die Spritze ließ sich gut mit diesem Brei aufziehen und wurde problemlos angenommen. „Joanna“ wurde so oft wie möglich mit kleinen Mengen des so zubereiteten Haferschleims gefüttert – auch nachts. Ich kochte den Brei zweimal am Tag frisch und verfütterte ihn möglichst warm. Neben diesen Mahlzeiten bot ich ihr ständig Heu, Stroh, Haferflocken, Gras und Obst/Gemüse (Apfel, Chicorée, geriebene Möhre) an, was nach anfänglichem Zögern gern genommen wurde. Ab Dienstag mischte ich dem Haferschleim zusätzlich etwas Hundewelpen - Aufzuchtsmilch bei, die in kleinen Mengen gut vertragen wurde. Sehr wichtig ist nach dem Füttern die Unterstützung der Verdauung durch vorsichtige Massage des Bauches.

Wasser gab ich „Joanna“ nur, um während langer Rotlichtphasen einer Austrocknung entgegenzuwirken. Pro Tag wurden im Schnitt 2 ml mit der Spritze verabreicht.

Anzumerken ist noch die ungewöhnliche Anhänglichkeit dieses Tieres gegenüber den Jungtieren, die in der Gruppe aufwachsen. „Joanna“ folgte mir auf Schritt und Tritt durch die gesamte Wohnung, ruhte auf meinem Fuß und schlief in meiner Hand. Bei Hunger positionierte sie sich vor mir, begann zu quieken und schob sich sofort unter meine angebotene, um nach Zitzen zu suchen, die ich ihr durch die Spritze ersetzte.

Leider wurde ihr diese Anhänglichkeit zum Verhängnis. Aufgrund unserer Unachtsamkeit kam es zu einem für „Joanna“ tödlichen Unfall. Fazit war: sobald man nicht seine ungeteilte Aufmerksamkeit auf das Tier richten kann, muß es sicher in einem Käfig o. ä. untergebracht werden.

Caroline Schreiber, Schulzoo-Leipzig e.V.


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