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Mitteilungsheft 3/98

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MEINE ERFAHRUNGEN BEI DER HALTUNG VON CHINCHILLAS, CHINCHILLA LANIGERA

Peter Gärtner, Scheeren

Als ich vor wenigen Wochen vom Kreistierarzt des Nachbarkreises gebeten wurde, ihm bei einer Prüfung bei einem Zooändler, der durch seinen Umgang mit Tieren auffiel, zu unterstützen, fielen mir meine Anfänge der "Kleinsäuger-Haltung" ein.

Langschwanzchinchilla ( Chinchilla laniger)

Wie fing alles bei mir an? Als leidenschaftlicher Ornithologe las ich auch die entsprechenden Fachzeitschriften und durch irgendeinen dummen Zufall fiel mir beim Querlesen das Wort Chinchilla in einem winzigen Artikel auf. Das muß wohl schon 20 Jahre her sein.

Ich hatte damals noch nicht genug an meinen Hühnern, Enten, Tauben, Hunden, Finken, Meerschweinen, Kaninchen, Schafen usw. und habe mich sofort im Tierpark Berlin als Interessent angemeldet. Es verging nun noch knapp ein Jahr und ich konnte mir mein erstes Chinchillamännchen vor Dr. Bach aus Bitterfeld abholen.

Ein großer Innenkäfig, eigentlich eine ausgediente Speisekammer, war sein erstes Domizil. Zum "Wohlfühlen" setzte ich das "nachtaktive Tier" bei trockenem Wetter und Sonnenschein zum Freigang auf den Hof. Ein großer Steinhaufen auf feinem Sand sorgte für das Wohlbefinden und ein kleiner Hund für das Scheitern jeden Fluchtversuches. Da machte ich zum ersten Mal die Beobachtung, wie sich Chinchillas, wenn sie sich sicher fühlen, aktiv Sonnenbäder nehmen.

Seit den ersten Anfängen sind viele Jahre vergangen. Hunderte Chinchillas habe ich nachgezogen und die unmöglichsten Experimente gemacht.

Zuerst einiges über Sozialstrukturen und Vergesellschaftung.
Ich habe Chinchillas paarweise, in Gruppen von einem Männchen und bis zu 8 Weibchen mit Jungtieren, in Gruppen von 2 Geschwistermännchen und bis zu 6 Weibchen mit Jungen gehalten. Ausschlaggebend war neben der Größe der Behausung und deren, Einrichtung (bis zu 20 M3 und ein Wirrwarr Von Ästen und Steinen) immer auch der "Charackter" des Individiums. Besonders bei den Weibchen gab es immer wieder Tiere, die so zickig waren, daß sie kaum ein Männchen annehmen und jedes andere Weibchen fast umbrachten. Fast immer handelte es sich bei solchen Tieren um "asozial" aufgewachsene Tiere. Wächst ein Tier in einer gut funktionierenden "Großfamilie" auf, läßt es sich besser vergesellschaften als ein Einzelkind, das der "alleinstehenden Mutter" dann auch noch zu früh weggenommen wird.

Da nach der Wende dubiose Geschäftemacher den "ahnungslosen Ossis" das große Geld mit der Chinchillazucht versprachen, konnte ich wenige Jahre später ganze Chinchillazuchten für 15,- DM für Mutter und Jungtier und Böcke gratis erwerben und einer "vernünftigen Nutzung" zuführen. Es ist für jemanden, der so etwas noch nicht erlebt hat, kaum vorstellbar, wie Tiere, die ihr Leben lang in einem wenige m3 großen Käfig mit Sichtkontakt zum Nachbarn hausten und eine Plastikmanschette um den Hals trugen, in wenigen Tagen wieder springen, klettern und Haken schlagen konnten. Chinchillaweibchen, die alle paar Monate einmal Körperkontakl zu einem Männchen hatten, putzten sich plötzlich gegenseitig, jagten sich wieder, um dann doch eng aneinandergeschmiegt zu schlafen.

Da ich fast alle Tiere in großen oder sehr großen Käfigen oder Räumen gehalten habe, war der Versuch der Vergesellschaftung unausbleiblich. Ich habe die Chinchillas, immer unter Berücksichtigung der Größe der Einrichtung der Gehege und der Individualität der einzelnen Tiere, mit folgenden Tierarten zusammengehalten:

Zwergkaninchen, Haus, u. Wildmeerschweinchen, Degus, Cururo, Goldhamster, Zwerghamster, Hamsterratten, Wühmäuse verschiedener Gattungen und Arten, Streifen- und Palmhörnchen, Sieben- und Wüstenschläfern und Gundis. Dabei konnte ich Verhalten beobachten, das von aus dem Weg gehen über Tolerieren bis hin zum gemeinsamen Aufziehen der Jungtiere ging.

Eine völlige Unverträglichkeit konnte ich gegenüber allen langschwänzigen Mäusen beobachten. Dabei waren die Mongolenrennmäuse und ihre nahen und fernen Verwandten oft selbst die Auslöser von sehr aggressivem Verhalten der Chinchillas. Streifengrasmäuse wurden regelmäßig attackiert und auf Darwin- Großohrmäuse machten zwei Chinchillagruppen regelrecht Jagd, so daß ich die schwer verletzten Mäuse schon nach wenigen stunden entfernen mußte. Die Unverträglichkeit mit den eben genannten Arten war unabhängig von der Größe und der Einrichtung der Unterkunft. Versuche mit größeren Arten wie Viscachas, Präriehunden und Agutis habe ich nicht gemacht. Ich könnte mir aber vorstellen, daß die eine oder andere Vergessellschaftung auch klappen könnte.

Ober die Aktivität der Tiere möchte ich nun soviel sagen, daß die Chinchillas sicherlich nachtaktive Tiere sind und besonders während der Brunft auch sehr lautstark sein können. Da ich einmal fast ein halbes Jahr lang ein Chinchillepaar in meinem Schlafzimmer untergebracht hatte, könnte ich über die nächtlichen Aktivitäten der Chinchillas ein ganzes Buch schreiben. Aber auch am Tage waren meine Tiere immer wieder aktiv, so zum Sonnenbaden und bei der Fütterung. Doch selbst unter künstlichem Dauerlicht behielten die Tiere einen bestimmten Rhythmus bei. Jungtiere sind besonders dann am Tage aktiv, wenn andere tagaktIve Insassen wie Meerschweinchen, Kaninchen oder Degus im Käfig anwesend sind. Dann werden diese zum Klettern und Spielen benutzt oder dazu animiert.

Nun noch einiges zur Fütterung der Tiere. Über die Fütterung ist schon viel geschrieben worden und scheinbar nichts unerforscht. Ich möchte deshalb mehr auf meine persönlichen

Erfahrungen eingehen. Sicherlich kann man Chinchillas mit Wasser und Spezialpellets über längere Zeit am Leben halten und auch die besten Vermehrungserfolge erzielen. Oft werde ich in meinem Geschäft nach Nagerspielzeug gefragt und versuche dann den von dubiosen Tierschutzgedanken verunsicherten Kunden klar zu machen, daß ausgewachsene Nagetiere nicht spielen und daß die Hauptbeschäffigung der Tiere in der Natur die Futtersuche und das Fressen ist, vom Schlafen abgesehen. Da stellt sich die Frage, "Fressen als Erlebnis" für Heimtiere? Ich glaube schon, daß ein Tier wie die Chinchilla , die das Futter in die Pfoten nimmt, lieber einen Ast mit trockenem Laub und Beeren in den Pfoten hat als ihr Leben lang mit eintönigen Pellets zu hantieren, Nach einer gewissen Eingewöhnungszeit, Hau-Ruck-Aktionen wie Futterwechsel sind natürlich für die Chinebilla sehr gefährlich. Meine Chinchillas haben zum Fressen erhalten: diverse Körner und Produkte aus Mehl wie Kroketten, Flocken, Keks, Zwieback, Hunde - und Pferdeleckerlis, Knäckebrot und anderes, auch Nüsse und ölhaltige Körner, Obst frisch und getrocknet, Beeren frisch und getrocknet, Zweige mit und ohne Laub, frisch und getrocknet. Selbst Nadelholz wurde nicht verschmäht. Alle Arten von ungiftigen Kräutern, deren Wurzeln und Blüten im frischen wie auch getrockneten Zustand. Nach einigen Recherchen über die Pflanzen im natürlichen Verbreitungsgebiet der Stammväter unserer Chinchillas habe ich versucht, hier heimische Moose, Flechten und Heidekraut frisch und getrocknet zu verfüttern. Diese Versuche mißlangen aber. Die Tiere waren nicht an die Pflanzen heranzubekommen, nur die süßen Blüten des Heidekrautes wurden vereinzelt gefressen.

Noch Einiges über die Veränderung des Aussehens durch Domestikation. Wenn ich in der alten Literatur blättere und mir Bilder über Edelchinchilla und Küstenchinehilla oder Langschwanzchinchilla anschaue, muß ich feststellen, daß die Tiere vor 20 Jahren spitze Köpfe, längere Ohren und ein anderes Größenverhältnis von Schwanz zu Körper lang hatten, die Tiere ähnelten sehr der Küstenchinchilla, die auf einem der Fotos in Brehms Tierleben abgebildet wurde.

Auch der eher eckige Schädel und die 1-3 Jungtiere unterschieden meine ersten Chinchillas von den heutigen Nachzuchten in allen erdenklichen Farben. Weibchen, die weniger als Vierlingsgeburten bringen, werden gepelzt! Aber auch die "Hochzuchtchinchilla" sieht dem eigentlichen Edelchinchilla nicht ähnlich (Brehms Tierleben). Ich hoffe, daß meine sehr oberflächlichen Gedanken den einen oder anderen zum Nachdenken anregen, sich vielleicht mit der Chichillazucht auseinanderzusetzten. Sei der Haltung und Zucht von Heimtieren kommt es meiner Meinung nach auf das Maß an, mit dem man füttert, pflegt und vergesellschaftet. An falscher Fütterung oder Vergesellschaftungstreß ist bei mir noch keine Chinchilla gestorben, und das älteste Männchen ist 13 Jahre alt geworden. In der Natur leben fast alle Tiere im Dauerstreß zwischen Futtersuche, Revierverteidigung, Jungenaufzurtit, Freßfeinden und Witterungsunbilden. Da sind 3-5 Jahre in "Freiheit" leben sicherlich kein Zuckerschlecken.

Peter Gärtner, Dorfstraße 2, PSF 102, D-39517 Scheeren

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